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Porträt

Azra Beslagic – die Reise einer gehörlosen Einwanderin

Als junge Frau flüchtete Azra vor dem Krieg in Ex-Jugoslawien in die Schweiz. Hier erwarteten die Gehörlose doppelt so hohe Hindernisse wie die hörenden Geflüchteten.

Foto: Marie Pugin

Den Sommer 1992 wird Azra nie vergessen. Ihre Mutter fürchtete um Azras Leben und drängte sie, die Reise ins Ungewisse zu wagen. Dafür liess Azra alles zurück: Familie, Freunde, ihr Handball-Team. Während in ihrer Heimat Bosnien der Krieg tobte, ging Azra auf die Reise ihres Lebens. Das Ziel suchte sie zufällig mit einer Länderliste aus.

Am 23. Juli stieg Azra in Buchs/SG mit drei anderen Gehörlosen aus dem Zug. Am Ziel war sie aber noch nicht. Jetzt begann der lange Aufnahmeprozess für Flüchtlinge in der Schweiz. Und Azra verstand absolut niemanden. Nachdem sie geduscht und gegessen hatte, wurde sie nach Genf gebracht. Von dort ging es weiter nach Les Diablerets/VD.

Die nächsten neun Monate waren für Azra die Hölle. Sie musste die vielen Einschränkungen für Flüchtlinge ertragen und konnte mit niemandem kommunizieren. Französisch lernen? Als einzige Gehörlose unter Hörenden unmöglich! Azra fühlte sich eingesperrt, kämpfte gegen die Verzweiflung. Die Erlösung kam mit dem Transfer nach Vevey: Hier besuchte sie die Französischkurse des Schweizerischen Gehörlosenbundes. In Azras Leben ging eine neue Tür auf … und die Reise ging weiter.

Französisch lernen? Als einzige Gehörlose unter Hörenden unmöglich!

Azra Beslagic

Publiziert am 22. März 2021