Sprache

Bewegte Geschichte

Geschichte des Gehörlosenbundes

Von der Taubstummenhilfe zum Schweizerischen Gehörlosenbund: Wir haben eine bewegte Geschichte hinter uns und schauen weiterhin vielen Aufgaben und Herausforderungen entgegen.

Die Fahne der Schweizerischen Gesellschaft der Gehörlosen (SGdG) wird am Gehörlosentag 1943 in Beatenberg präsentiert.

Vorgeschichte
Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden in der Schweiz auf privater Initiative die ersten Gehörlosenschulen. Daneben formierten sich die gehörlosen Menschen in den Kantonen in eigenen Vereinen. Und seit dem späten 19. Jahrhundert, aufgrund der Entscheidungen des 2. Weltkongresses der Gehörlosenpädagogen in Mailand, wurde die Gebärdensprache in den Schulen aus dem Unterricht verdrängt, dieser fand danach ausschliesslich in Lautsprache statt. Diese Entscheidungen der Pädagogen hatten weitreichende Konsequenzen auf das soziale Leben der Gehörlosengemeinschaft und die Erfahrungen von Unterdrückung.

1946 – Die Gründung des Schweizerischen Gehörlosenbundes
In den anfänglichen Vereinen der Gehörlosenfürsorge waren die Führungspositionen fast ausschliesslich von hörenden Personen besetzt, die über Leben und Schicksal von gehörlosen und hörbehinderten Menschen bestimmten. Dagegen wehrten sich schon früh die Gehörlosenvereine im Namen der Selbstbestimmung. Einige frühere Versuche, eine nationale Organisation der Gehörlosenvereine zu gründen, scheiterten leider aus verschiedenen Gründen. Am 17. Februar 1946 wurde dann in dieser Situation der Schweizerische Gehörlosenbund SGB-FSS als Selbsthilfe-Organisation gegründet, der bis heute Bestand hat und sich nach wie vor für die Anliegen der gehörlosen Menschen in der Schweiz einsetzt.

Die ‹Deaf Power›-Bewegung
Im Zuge der sozialen Bewegungen von Minderheiten, die ihren Anfang in den USA nahmen, entstand die ‹Deaf Power›-Bewegung, die sich für die Emanzipation und die Rechte von gehörlosen Menschen einsetzte. Diese Bewegung ergriff Ende der 80er Jahre die Schweiz und prägte eine Generation von jungen Gehörlosen. Die Einforderung der Selbstbestimmung und der eigenen kulturellen und sprachlichen Identität, insbesondere der Gebärdensprache, prägten die Auseinandersetzungen mit den hörenden Fachexperten. Zum ersten Mal gelang es gehörlosen Personen in Führungspositionen, der sogenannten ‹Taubstummen-Hilfe›, Fuss zu fassen und ihre Anliegen einzubringen.

Als nationale Dachorganisation etabliert
Der Fokus der Emanzipationsbewegung konzentrierte sich aber innerhalb der Gehörlosenvereine und des Gehörlosenbundes. Der Gehörlosenbund wurde als nationale Dachorganisation zum führenden Verband, der sich für die Anliegen der Gehörlosengemeinschaft einsetzte und für deren Rechte auf der politischen und gesellschaftlichen Ebene kämpfte. In den Anfängen wurde die Emanzipationsbewegung der gehörlosen Menschen von den Institutionen im Gehörlosenwesen kritisch begutachtet und stiess auf Widerstände.

Gebärdensprache wird gestärkt
Unbeirrt arbeitete der Gehörlosenbund mit seinen Mitgliedern daran, die Gebärdensprache aus ihrem Schattendasein zu befreien und ihren gesellschaftlichen Stellenwert einzufordern. Ein erstes Schreibtelefon wurde vermarket, ein Vermittlungsdienst für Gebärdensprachdolmetschende gegründet, die ersten Gebärdensprachkurse aufgebaut und andere wichtige Pilot-Angebote für die Gehörlosengemeinschaft lanciert. Die gesellschaftliche Anerkennung der Gebärdensprachen in den Schulen und der Gesellschaft war und bleibt bis heute ein wichtiges Ziel des Gehörlosenbundes.

Regionalisierung
Im Jahr 1987 wurde der Gehörlosenbund regionalisiert. Im Rahmen dieser Regionalisierung entstanden die Deutsch-Schweizer Sektion (SGB-DS) und die West-Schweizer Sektion (FSS-RR). Später kam die Tessiner Sektion (FSS-RI) hinzu. Eine Co-Leitung der regionalen Sektionen sorgte für die Koordination der Arbeiten der Verbände. Im Jahr 2006 entschlossen sich die drei regionalen Verbände zu einem nationalen Dachverband „Schweizerischer Gehörlosenbund“ zusammenzuschliessen und passten die Verbandsstrukturen dieser neuen Ausrichtung an.

Selbstbestimmung
Seither hat der Gehörlosenbund seine nationalen Strukturen vertieft, seine Strategien präzisiert und seine Anliegen in Gesellschaft und Politik gestärkt. Der Wandel führte von der Freiwilligenarbeit in den Anfängen zu einem professionellen Verband, der sich weiterhin der Selbsthilfe verpflichtet fühlt, aber auch als kompetenter Experte die Anliegen der Gehörlosengemeinschaft in Zusammenarbeit mit seinen Mitgliedern einfordert. Die Selbstbestimmung der gehörlosen und hörbehinderten Menschen blieb dabei der zentrale Wert des Gehörlosenbundes, der auch die zukünftige Arbeit anleitet.

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