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Neue Studie zur Gesundheitsversorgung für gehörlose und schwerhörige Menschen

Wie gut ist die Gesundheitsversorgung für gehörlose und schwerhörige Personen? Diese Frage haben die FHNW und HES‑SO im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) und des Bundesamts für Gesundheit (BAG) schweizweit untersucht. Rund 50 gehörlose und schwerhörige Personen schilderten dabei ihre Erfahrungen im Schweizer Gesundheitssystem. Die Untersuchung beruht auf der Frage des Postulats 19.3668 «Wie erreicht der Bundesrat eine barrierefreie Gesundheitsversorgung für Gehörlose?» in die Praxis um.

Immer noch viele Barrieren und Hürden

Die Studie zeigt deutlich: Gehörlose und schwerhörige Menschen stossen nach wie vor auf zahlreiche Hindernisse. 
Nur wenige Spitäler verfügen über klare Abläufe für barrierefreie Kommunikation – etwa spezielle Eintrittsformulare oder Personal, das Gebärdensprache beherrscht. Angebote in der Gesundheitsförderung, in der stationären Psychiatrie und Psychotherapie sowie in hausärztlichen Praxen sind rar. Viele Befragte berichten ausserdem von Unsicherheiten und unangemessenem Verhalten des Fachpersonals – verursacht durch fehlendes Wissen und mangelnde Sensibilisierung.

Was sollte verbessert werden?

Barrieren entstehen häufig schon bei der Terminvereinbarung:
Wer nicht telefonieren kann, erhält oft keine schnelle Auskunft. Im Behandlungsalltag bleibt zu wenig Zeit, um kommunikative Bedürfnisse abzuklären; Dolmetschdienste lassen sich kurzfristig schwer organisieren und Finanzierungsfragen sind unklar.  
So geht wertvolle Zeit verloren und wichtige Informationen bleiben auf der Strecke – mit Risiken für Diagnose und Therapie. 

Was machen andere Länder besser?

Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt erfolgreiche Praxisbeispiele: 

  • Frankreich betreibt in allen Regionen spezialisierte Empfangs- und Behandlungsstellen für gehörlose Patientinnen und Patienten. 
  • Österreich richtet in gros­sen Allgemeinspitälern Gesundheitszentren für Gebärdensprachnutzende ein. 
  • Italien bietet in vielen Regionen einen rund um die Uhr verfügbaren Video‑Dolmetschdienst an. 
  • Deutschland verfügt über Kliniken, die psychische Behandlungen speziell auf gehörlose Menschen ausrichten. 

Fachpersonen sehen auch Verbesserungsbedarf

Auch Ärztinnen, Therapeuten und Pflegefachpersonen bestätigen: Zeitdruck, Personalknappheit und administrative Vorgaben lassen oft wenig Raum für eine individuelle Kommunikation. 

Viele wünschen sich praxisnahe Weiterbildungen, klare Leitlinien und einen unkomplizierten Zugang zu Dolmetschdiensten – um Missverständnisse zu vermeiden und Patientensicherheit zu gewährleisten. 

Empfehlungen der Studie zur Behebung der Defizite 

Die Autorinnen formulieren zehn übergreifende Empfehlungen – darunter 

  1. Barrierefreie Kontaktwege wie Online‑Terminbuchungen, SMS oder verschlüsselte E‑Mails für alle Leistungserbringenden. 
  1. Aus‑ und Weiterbildungen zur patientenzentrierten Kommunikation mit Menschen mit Hörbehinderung in allen Gesundheitsberufen. 
  1. Aufbau spezialisierter Behandlungseinheiten in Universitäts‑ und Zentrumsspitälern sowie eine Ausweitung der 24/7‑Video‑Dolmetschdienste. 

Jede Empfehlung ist mit konkreten Massnahmen unterlegt – damit sie rasch und wirksam umgesetzt werden können. 

Es braucht dringend Verbesserungen im Gesundheitswesen

Der Schweizerische Gehörlosenbund begrüsst die Studie und fordert, dass alle Beteiligten – Bund, Kantone, Leistungserbringende und Versicherer – Barrieren abbauen. Gehörlose und schwerhörige Menschen zahlen die gleichen Krankenkassenprämien wie alle anderen – eine adäquate Gesundheitsversorgung ist ein Grundrecht und kein Luxus.

Die Studie im Detail

Wertvoller Beitrag für ein barrierefreies Gesundheitswesen

Der Bericht ist ein wichtiger Beitrag, um Herausforderungen sichtbar zu machen – und um Lösungen aufzuzeigen. 

Ein grosser Dank geht an die Autorinnen und Co‑Forschenden, den Forschungsbeirat, das EBGB, das BAG sowie alle Organisationen und Fachpersonen, die diese Arbeit ermöglicht und begleitet haben. 

Ihre Beiträge sind ein entscheidender Schritt hin zu einer inklusiven und gleichberechtigten Gesundheitsversorgung in der Schweiz. 

Publiziert am 8. Juli 2025