Gebärdensprache-Lexikon: Wo Sprache gelebt wird
Seit seiner Veröffentlichung 2010 hat sich das Gebärdensprache-Lexikon des Schweizerischen Gehörlosenbunds zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel für die Gehörlosengemeinschaft entwickelt. Aus diesem Grund haben wir uns mit Sandy Sidler-Miserez getroffen, um mehr über dieses einzigartige Referenzwerk zu erfahren.

Koordination der Gebärdensprachen
Wer etwas über das Gebärdensprache-Lexikon und seine Geschichte wissen möchte, ist bei Sandy Sidler-Miserez an der richtigen Stelle. Seit vielen Jahren verantwortet sie als Projektleiterin die Bewirtschaftung und Weiterentwicklung des E-Lexikons. Und das in allen drei Gebärdensprachen der Schweiz. Sie versteht sich dabei als Koordinatorin, die ihre Erfahrung bei der Beratung und Unterstützung der Teamkollegen aus den anderen Landesteilen einfliessen lässt. Dies sei besonders deshalb wichtig, weil die Fortschritte der drei Gebärdensprachen sehr unterschiedlich seien.
Lexikon als Meilenstein
Mit der Veröffentlichung des Lexikons «signsuisse» 2010 sei für die Gehörlosen-Community ein Meilenstein gesetzt worden. Erstmals waren Gebärden in allen drei Sprachen an einem zentralen Ort für alle Menschen zugänglich. Davor habe man Gebärden oftmals mit Fotos und Illustrationen dokumentiert und auf CDs gespeichert. Seither ist sehr viel passiert und die Digitalisierung sei ein entscheidender Faktor für diese Entwicklung gewesen. Man denke nur an die Einführung der Gebärdenvideos, die heute Standard sind.
Ein Lexikon für alle
Sandy ist es ein Anliegen, ein Lexikon für alle Menschen anzubieten, unabhängig von Alter, Beruf oder Bildungsniveau. Trotzdem werde es häufig von Personen aus spezifischen Bereichen wie Bildung oder Gesundheit genutzt, die gezielt nach bestimmten Begriffen suchen. Mit rund 19’000 Gebärden in allen drei Sprachen bietet das Lexikon eine umfangreiche Sammlung und ist einzigartig in der Schweiz. Dennoch oder gerade deshalb bleibe der Bedarf an neuen Gebärden gross, um die Verständigung weiter zu verbessern und Barrieren abzubauen.
Das Gebärdensprache-Lexikon ist eine nie endende Aufgabe, denn Sprache verändert sich und entwickelt sich weiter.
Sandy Sidler-Miserez
Sprache verändert sich
Diesem Bedarf gerecht zu werden ist eine grosse Herausforderung. Sprache verändert sich, bestehende Vokabeln werden durch neue abgelöst und über Nacht tauchen neue Begriffe oder Namen auf, die plötzlich gesellschaftliche Relevanz haben. Sandy sieht das jedoch positiv. Für sie unterstreicht die steigende Nachfrage das Interesse am Lexikon.
Ein lebendiges Nachschlagewerk
Die Welt der Gebärdensprache verändert sich andauernd und das widerspiegelt sich in diesem lebendigen Nachschlagewerk. Die kontinuierliche Arbeit an der Aktualisierung und Erweiterung des Lexikons sei deshalb entscheidend, um den Bedürfnissen aller Nutzerinnen und Nutzer auch in Zukunft gerecht zu werden.
Eines ist sicher: Sandy und ihr engagiertes Team werden sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass das Lexikon ein wertvoller Begleiter für alle bleibt, die die Welt der Gebärdensprache erkunden und verstehen möchten.
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Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie unsere Arbeit wie z.B. den Fortbestand des einmaligen Referenzwerks «signsuisse», das für gehörlose Menschen eine wichtige Unterstützung im Alltag bietet.
Das E-Lexikon «signsuisse» in Zahlen
Dass das Lexikon des Schweizerischen Gehörlosenbunds einem echten Bedürfnis entspricht, unterstreichen die nachfolgenden Fakten:
Hintergrund: Wie entsteht eine Gebärde?
Der Bedarf an neuen Gebärden hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Doch wie entsteht eine solche Gebärde eigentlich? Haben Sie gewusst, dass es zwei bis zu drei Monate dauern kann, bis eine Gebärde im Lexikon aufgeschaltet wird? Wir wollen genauer hinschauen und zeigen Ihnen, wie dieser Prozess abläuft:

1. Neue Gebärde bestimmen:
Expertengruppen aus gehörlosen Personen sind dafür zuständig, neue Gebärden zu entwickeln. Sie wählen Gebärdennamen, oft inspiriert durch aktuelle gesellschaftliche Ereignisse, wie beispielsweise die Wahl eines neuen Bundesrats, oder durch Anregungen aus der Community.
2. Definition und Satzbeispiel:
Hat sich die Fachgruppe auf eine Gebärde geeinigt, wird die Definition schriftlich festgehalten. Zu jedem Eintrag im E-Lexikon gehört auch ein Satzbeispiel, das hilft, den Begriff im richtigen Kontext zu verstehen. Dies ist besonders wichtig, da es für einige Begriffe mehrere Gebärden geben kann – zum Beispiel Gehen: (weg)gehen, (nach Hause) gehen, (hin)gehen, (zurück)gehen.
3. Video produzieren:
Der aufwendigste Schritt ist die Videoproduktion, weshalb jeweils gleich 50-100 Gebärden aufgenommen werden. Professionelle Kamerateams drehen in einem speziell eingerichteten Raum in Zürich Videos für alle drei Schweizer Gebärdensprachen.
4. Nachbearbeitung der Videos:
Nach der Produktion folgt die Nachbearbeitung. Die Rohversionen der Videos werden geschnitten, die Bildqualität optimiert und eine Slow-Motion-Funktion hinzugefügt. Dies stellt sicher, dass kein Detail der Gebärde übersehen wird und sowohl Bewegung als auch Handform gut sichtbar sind.
5. Kontrolle der Gebärden:
Die fertigen Videos werden von Dolmetschenden sorgfältig darauf geprüft, ob der Kontext passt. Begriffe können in der Gebärdensprache nämlich durchaus völlig anders interpretiert werden als in der Lautsprache. Dabei gibt es einfachere Bereiche wie schulische Begriffe aber auch heiklere Themen wie die Politik.
6. Eintrag im Lexikon:
Sobald die Kontrolle grünes Licht erteilt, wird die Gebärde ins Lexikon integriert. Zusammen mit der Definition und dem Satzbeispiel sind die neuen Gebärden dann online zugänglich.
7. Laufende Bewirtschaftung:
Nicht jede neue Gebärde wird tatsächlich in den Sprachgebrauch aufgenommen. Es kann vorkommen, dass sich andere Gebärden durchsetzen oder bestehende Gebärden sich im Laufe der Jahre verändern. In solchen Fällen wird der entsprechende Eintrag im Lexikon angepasst, um die aktuelle Verwendung widerzuspiegeln.
E-Lexikon «signsuisse» entdecken
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Publiziert am 5. Juni 2025