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Ganz Ohr

Barrieren brechen, Chancen schaffen: Inklusion im Beruf

Eine neue Arbeitsstelle zu finden, ist für viele eine Herausforderung. Für gehörlose Menschen ist es oft ein zäher Kampf gegen Vorurteile und unsichtbare Hindernisse.

Markus Bürgi ist gehörlos und arbeitet erfolgreich als IT Spezialist. Doch sein Weg zur Inklusion im Beruf war geprägt von Vorurteilen, Ablehnungen und Enttäuschungen. «Arbeitgeber wissen zu wenig über Gehörlosigkeit, vielleicht auch, weil es keine sichtbare Behinderung ist», sagt Markus im Gespräch und erzählt, wie er die Hürden überwunden hat.

Inklusion im Beruf: Markus Bürgi zeit, mit welchen Hürden Gehörlose noch heute kämpfen.
Gehörloser IT-Spezialist Markus Bürgi erzählt, wie er auf der Arbeitssuche gegen viele Hürden und Vorurteile kämpfen musste.

Vom Traum zur Realität: Markus Bürgis Geschichte

Markus Bürgi wurde hörend geboren, verlor jedoch als Kind sein Gehör. Als einziger Gehörloser in seiner Familie musste er früh lernen, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Mit elf Jahren entdeckte er seine Leidenschaft für Computer, die ihn schliesslich zur Informatik führen sollte. Um seine Passion zum Beruf zu machen, musste Markus seine Heimat in Zürich verlassen und nach Chur ziehen: Er arbeitet beim Amt für Informatik des Kantons Graubünden. Der Weg zur Erfüllung seines Traums war jedoch steinig und brauchte mehr als nur einen Wohnortswechsel. Er zeigt exemplarisch, wie weit der Arbeitsmarkt noch von echter Inklusion entfernt ist.

Barrieren bei der Jobsuche

Vor rund zwei Jahren wurde Markus Bürgi arbeitslos. Er machte sich umgehend auf die Suche nach einer neuen Stelle. Bald musste er jedoch ernüchtert erkennen, dass sich die Hoffnung auf eine schnelle Lösung nicht erfüllen würde – es folgte Absage um Absage, teils aus fadenscheinigen Gründen. Und kam es einmal zu einem Vorstellungsgespräch, so musste er feststellen, dass das Wissen um Gehörlosigkeit und dem Umgang damit in der Arbeitswelt wenig bis gar nicht vorhanden ist.

Er liess sich davon aber nicht unterkriegen, leistete Sensibilisierungsarbeit und erklärte, wie Kommunikation gelingen kann, um vorherrschende Unsicherheiten und Ängste aus der Welt zu schaffen – vergeblich.

Markus Bürgi,
gehörloser IT-Spezialist

Statt Inklusion – Diskriminierung und Systemprobleme

Neben Ablehnung erlebte Markus auch direkte Diskriminierung. Beispielhaft nennt er einen Probearbeitstag bei einer Krankenkasse, bei dem die Leitung nicht informiert war, dass Dolmetschende anwesend sein würden. Die Absage mit der Begründung, er hätte den Tag ohne Unterstützung alleine bewältigen müssen, war ein Tiefpunkt.

Dazu zeigte sich, dass Institutionen wie das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum RAV oder die Invalidenversicherung IV oft unzureichend auf die Bedürfnisse von Gehörlosen vorbereitet sind. «Man fühlt sich fremdbestimmt und abhängig», beschreibt er. Sein Wunsch: dass Arbeitgeber, Institutionen und die Gesellschaft mehr Interesse und Engagement zeigen für eine inklusive Arbeitswelt.

Ein Weg, der sich lohnt

Mit Unterstützung der ipt-Stiftung, welche Hilfe bei der Wiedereingliederung in die Arbeitswelt anbietet, fand die Geschichte von Markus doch noch ein glückliches Ende. Sie zeigt, dass Inklusion Wissen und Mut erfordert – und dass Offenheit Barrieren überwinden kann. Das ist es auch, was er seinen gehörlosen Mitmenschen mitgeben möchte: «Bleibt dran, lasst euch nicht unterkriegen und seid von Anfang an offen bezüglich eurer Gehörlosigkeit. Vertrauen ist entscheidend.»

Der Schweizerische Gehörlosenbund setzt sich dafür ein, dass gehörlose und hörbehinderte Personen künftig weniger hart kämpfen müssen als Markus. Mit unserer Arbeit schaffen wir konkrete Lösungen, um Barrieren abzubauen und Inklusion im Beruf zu fördern. Wir begleiten gehörlose Menschen mit verschiedenen Angeboten auf ihrem Weg in die Arbeitswelt, unterstützen sie bei der Weiterbildung und setzen uns dafür ein, dass Unternehmen und Institutionen die Potenziale von Menschen mit Hörbehinderungen erkennen und nutzen.

Markus Bürgi beim Interview mit dem Schweizerischer Gehörlosenbund.

Der Trend zur Integration in Regelschulen stellt für gehörlose Kinder und Jugendliche eine erste Barriere dar. In einer hörenden Umgebung fehlt ihnen oft der soziale Austausch mit Gleichaltrigen, was die Entwicklung von sozialen Kompetenzen beeinträchtigen kann. Alternativen wie bilinguale Schulen, die Lautsprache und Gebärdensprache kombinieren, haben sich als förderlich erwiesen, sind jedoch bis heute schweizweit kaum vorhanden.

Gehörlose und hörbehinderte Personen stossen im Bewerbungsprozess häufig auf Hindernisse. Sie sind auf die Hilfe der IV angewiesen – erhalten aber oftmals nur unzureichende Unterstützung. Sparmassnahmen bei Dolmetschenden am Arbeitsplatz schränken die Möglichkeiten der Betroffenen bei der Berufswahl ein. Im schlimmsten Fall leiden sogar ihre Karrierechancen darunter. Ein Missstand, der dazu führt, dass gehörlose und hörbehinderte Menschen unter ihrem Potenzial rekrutiert werden. Vorurteile wie «Mehraufwand» und mangelndes Wissen über Hörbehinderungen erschweren den Zugang zum Arbeitsmarkt zusätzlich.

Am Arbeitsplatz müssen gehörlose Mitarbeitende ihre Leistungsfähigkeit oft stärker beweisen als hörende Kollegen. Dabei braucht es nur kleine Anpassungen in der Kommunikation, um gehörlose Teammitglieder zu integrieren. Bewusstsein, Respekt und der Wille zur Integration bewirken viel. Eindrücklich beweisen diese Tatsache Betriebe, welche das bereits umsetzen. Sie stellen immer wieder mit Überzeugung Gehörlose ein und schätzen deren Arbeitshaltung.

Gehörlose und hörbehinderte Mitarbeitende sind selten in Führungspositionen vertreten und werden kaum befördert, obwohl sie ähnliche Qualifikationen wie Hörende besitzen. Der berufliche Aufstieg bleibt für viele eine grosse Herausforderung, was auf strukturelle Diskriminierung hinweist.

Ein für alle zugänglicher Arbeitsmarkt ist nur mit Ihrer Unterstützung möglich.

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Publiziert am 11. September 2025